20. Juli 2022 von Roger Meier - Südostschweiz

Zwei Glarner Pfadis erleben in Goms ab Samstag ihr zweites Bundeslager. Es findet alle 14 Jahre statt. Für junge Pfadis sei es ein Highlight, sagen sie aus eigener Erfahrung. Grösse und Vielfalt machen das Lager aber auch für sie selber zum Vergnügen – auch ohne tägliche Dusche.

Eine Minute Duschen, Ampelsignal. Zwei Minuten Einseifen, Ampelsignal. Zwei Minuten Abwaschen, Ampelsignal. Abtrocknen. Die Duschzeiten im Pfadi-Bundeslager in Goms im Wallis, das nächsten Samstag beginnt, sind strikt reguliert. Das ist notwendig: Zwei
Wochen lang stehen über 30 000 Pfadis 130 Duschen zur Verfügung. Sie dürfen sie alle drei bis vier Tage benutzen – sofern sie die ihnen zugeteilten Duschzeiten nicht verpassen. Ein wenig Stinken gehöre deshalb zu einem «Bula» dazu, sagt Sonja Künzler, die das Bundeslager wie alle Pfadis abkürzt. Die 23-Jährige ist Leiterin der Pfadi Kärpf in Glarus Süd und weiss, wovon sie spricht – wie ihr Kollege Thomas Landolt, Kantonsleiter der Pfadi Glarus. Beide haben bereits das Bula 2008 im Linthgebiet miterlebt. Künzler als neunjähriges Wölfli, Landolt als 14-jähriger Pfadfinder. Pfadis bauen eine Zeltstadt Imposant seien vor allem die Ressourcen, die das Gomser Bula verschlinge, sagt Sonja Künzler. Drei Kilometer Fussweg verlegen die Helferinnen und Helfer derzeit, um den Boden zu schützen. Sie stellen Zelte auf und errichten Holzbauten, die grösser und raffinierter werden sollen als im Jahr 2008. Das Baumaterial – Wasserrohre, Weidezäune und Bretter – soll laut Bula-Webseite nach dem Lager verkauft werden.

Künzler befindet sich seit zehn Tagen in Goms und hilft, «die 26. grösste Stadt der Schweiz» aufzubauen. So nennt sie das Zeltlager, das im Bezirk Goms entsteht. Ab Samstag wird sie zudem eine Glarner Pfadi-Einheit leiten. Die vier Wochen ihrer Semesterferien, die sie fürs Bula investiert, sieht sie aber nicht als Opfer. Sie sagt: «Es macht mir Spass, mich für die Pfadi einzusetzen.»

Die 23-Jährige ist eine von ungefähr 200 Pfadis, die derzeit an der Zeltstadt arbeiten. Militär, Zivilschutz und 100 Handwerkerlehrlinge helfen mit. Es gibt viel zu tun: Die Fläche des Geländes in Goms ist mit 1,2 Quadratkilometern riesig, sie entspricht 110 Fussballplätzen. Bald werden sich Tausende Zelte von Pfadis aus der ganzen Schweiz über drei Kilometer entlang der Dörfer Münster, Geschinen und Obergesteln erstrecken.

mova Helfer werden verpflegt
Bild Verein Bula 2021/Dominic Bruegger

Ein Bula bietet Komfort …

Strom, Wasser, sanitäre Anlagen, Glasfaserinternet, Sanität und zwei Ambulanzen, Polizeiposten, Feuerwehr, Abfallsammelstellen, Beizen und eine Migros-Filiale – im Bula wird ab Samstag alles da sein, was Pfadis zum Überleben in der Walliser Wildnis brauchen. Das Gomser Bula ist aber nicht nur deutlich grösser als 2008 – während sich die Pfadis damals im Linthgebiet auf verschiedene kleinere Zeltdörfer verteilten, wohnen heuer alle auf einem Haufen. Das fördert den zwischenmenschlichen Kontakt und bringt einander näher. «Gerade im Leiter-Alter können auch durchaus Liebespärchen entstehen», sagt Thomas Landolt.

Ein «bumsfideles Pfadilager», wie der «Blick» 2008 titelte, ist so ein Bula deswegen aber nicht. Ausgetauscht werden an einem Bula primär Erfahrungen und Brauchtum. Der «Kantönligeist» sei nämlich auch zwischen den verschiedenen Abteilungen spürbar, sagen Sonja Künzler und Thomas Landolt. Indem man Zelt an Zelt miteinander lebe, erhalte man die Gelegenheit, die Traditionen, Bräuche und Spiele der anderen Pfadis kennenzulernen.

… und ist ein seltenes Vergnügen

Sonja Künzler und Thomas Landolt sind sich bewusst, dass die wenigsten Pfadis die Gelegenheit haben, zwei Bundeslager zu erleben. Der Grossanlass findet nur alle 14 Jahre statt und ist damit «das Highlight jeder Pfadilaufbahn», wie sie sagen. Für beide sei deshalb gleich klar gewesen, dass sie mithelfen wollen – er als «Rover» in einer von 15 Lagerbeizen, sie als Helferin beim Aufbau und als Pfadi-Leiterin im Bula.

Wäscheleine zwischen zwei Spatz-Zelten
Bild Verein Bula 2021/Dominic Bruegger

In dieser Funktion wird Sonja Künzler für einen Teil der 100 Pfadfinderinnen und Pfadfinder aus dem Glarnerland zuständig sein, die das Bula besuchen. Darunter seien auch 18 Wölflis unter elf Jahren. Für sie sei ein solcher Grossanlass besonders speziell, sagt die Pfadileiterin, die selbst als Neunjährige im Bula 2008 war. Die Erfahrung, mit Hunderten anderen draussen im Zelt zu schlafen, sei aussergewöhnlich. «Normalerweise verbringen Wölflis Lagerferien im Pfadiheim.»

Für die Kleinen sei das Lagerleben weit weg vom Elternhaus und die langen, ereignisreichen Tage zwar bisweilen eine Herausforderung, sagt Thomas Landolt. Letztlich bedeute so ein riesiges Event aber vor allem eine Menge Spass und Action, auf die sich alle freuen würden. «Wenn es einem an einem Bula langweilig wird, dann hat man was falsch gemacht», sagt der heute 28-Jährige. Neben Wanderungen, Ausflügen und Spielen bietet das diesjährige Bula zahlreiche Attraktionen für die Kinder und Jugendlichen – etwa einen Abenteuerspielplatz, einen Skaterpark oder Quartierplätze, auf denen man sich trifft und musiziert.

Und die Leiter und Leiterinnen? Die würden sich vor allem auf alte Pfadi Bekanntschaften freuen, die sie nur selten sehen. «Und auf die Abwechslung, die ein Bula bietet», sagt Sonja Künzler. Denn: «Wenn man jedes Jahr ins gleiche Sommerlager mit den 20 gleichen Nasen geht, wird ein Lager alltäglich.»

Das Bula in Zahlen

  • 30 000 Pfadis nehmen teil, dazu kommen über 5000 freiwillige Helfende.
  • Die Lagerleitung verfügt über ein Budget von 25 Millionen Franken.
  • Auf dem Lagerplatz werden 700 Toiletten und 130 Duschen installiert.
  • Der Lagerplatz ist 120 Hektare gross. Das sind 110 Fussballfelder.
  • Die Lagerleitung rechnet mit rund 28 000 Angehörigen und Pfadi-Freundinnen und -freunden, die ins Goms reisen.
  • Die Pfadis stellen 40 ausgebildete Feuerwehrleute aus den eigenen Reihen. Die Armee ist mit 120 Personen anwesend. Dazu kommen 40 Agentinnen und Agenten der Kantonspolizei. (red)